Chronik der Stadt Mannheim - Meilensteine 19. Jahrhundert

 

1802/03 Mannheim fällt an Baden (Reichsdeputationshauptschluss: 25. Februar 1803)
1808 Auf Bitte der badischen Erbgroßherzogin Stephanie wird der Schlossgarten angelegt (bis 1811)
1810 Das badische Oberhofgericht nimmt in Mannheim seinen Sitz (bis 1879)
1811 Die heutige Zählung der „Quadrate“ mit Buchstaben und Ziffern wird eingeführt
1815 Der österreichische Kaiser Franz und der russische Zar Alexander halten sich zwei Tage in Mannheim auf
1817 Karl Drais unternimmt am 12. Juni mit seiner Laufmaschine (einem Vorläufer des Fahr­rads und einer Schlüsselinnovation auf dem Weg zur individuellen Mobilität) die erste Fahrt von Mannheim zum Relaishaus an der Schwetzinger Chaussee
1819 Der Burschenschafter Karl Ludwig Sand ermordet aus politischen Gründen den Schrift­steller und russischen Staatsrat August von Kotzebue. Die Tat löst in den Staaten des Deutschen Bunds Unterdrückungsmaßnahmen gegen nationale und liberale Bestrebun­gen aus (Karlsbader Beschlüsse)
1822

Stadtdirektor Philipp Anton von Jagemann initiiert die Gründung der städtischen Spar­kasse (heute Sparkasse Rhein-Neckar Nord)

Eine Volkszählung ergibt, dass weniger als 20 000 Einwohner(innen) in der Stadt leben

1827 Paolo Giulini gründet eine chemische Fabrik nördlich des Neckars in Wohlgelegen, die 1854 im Verein chemischer Fabriken aufgeht.
1828 Am Rhein wird ein Freihafen eröffnet
1831 Durch den Abschluss der ersten Rheinschifffahrtskonvention („Mainzer Akte“) wird Mannheim bis 1910 Endpunkt der Großschifffahrt auf dem Rhein.
1832 Erstmals machen sich oppositionelle Regungen gegen die Regierungspolitik bemerkbar, als nach dem „Hambacher Fest“ die Zensur wieder eingeführt wird. Anfang Juni kommt es zu Straßendemonstrationen, die unter Einsatz von Militär blutig unterdrückt werden.
1833 Der Verein für Naturkunde sowie der Kunstverein werden gegründet
1834

An der feierlichen Grundsteinlegung für den Rheinhafen, der 1840 vollendet wird, nimmt der badische Großherzog Leopold teil.

Johann Konrad Reihle gründet eine Zuckerfabrik, die 1867 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird (heute Südzucker AG).

1835 Der in Mannheim erschienene Roman „Wally die Zweiflerin“ von Karl Gutzkow wird ver­boten, der Autor in Haft genommen und wegen Vergehens gegen das Pressegesetz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
1836 Joseph Vögele produziert in seiner Schmiede Eisenbahngerät. Die aus diesen Anfängen entstehende Maschinenfabrik zieht 1874 an die Bahnlinie am späteren Neckarauer Bahnübergang und firmiert heute als Joseph Vögele AG
1839 Das Nationaltheater wird in städtische Verwaltung übernommen. Seit 1997 wird es als Eigenbetrieb geführt
1840

Als erste badische Strecke wird die Bahnlinie Mannheim-Heidelberg eröffnet. Der Bahn­hof befindet sich am östlichen Stadtrand nahe dem heutigen Tattersall

Als weitere höhere Lehranstalt nimmt die Bürgerschule den Unterrichtsbetrieb auf. Aus ihr geht 1869 das Realgymnasium hervor

1842

Binnenschiffer und Kaufleute gründen die Mannheimer Dampfschleppschifffahrts-Ge­sellschaft. Bei der Neugründung 1862 übernehmen Großkaufleute die führende Rolle

Rechtsanwalt Friedrich Hecker zieht in den badischen Landtag ein und entwickelt sich in den folgenden Jahren zum Anführer einer radikaldemokratischen Opposition

1843

Die Feier des 25-jährigen Jubiläums der badischen Verfassung wird von den Opposi­tionskräften zu einer liberalen Kundgebung genutzt

Hector Berlioz dirigiert eigene Werke in Mannheim

1844

Nach Bayern (1831) und Württemberg (1837) eröffnen auch die USA ein Konsulat. 1905 haben 30 Konsulate hier ihren Sitz

Albert Lortzing leitet eine Aufführung seiner komischen Oper „Zar und Zimmermann“ im Nationaltheater

1845

Eine gegen die staatlichen Zensurübergriffe gerichtete Bürgerversammlung wird unter Einsatz von Militär aufgelöst. Die Jahre bis zum Ausbruch der Revolution 1848 sind von Gründungen und Verboten oppositioneller Vereine, Zusammenstößen mit dem Militär und einer dramatischen Hungersnot gekennzeichnet

Als erster fester Übergang über den Neckar wird die Kettenbrücke eingeweiht. Als sie dem gewachsenen Verkehrsaufkommen nicht mehr genügt, wird sie abgerissen und 1891 durch die neu erbaute Friedrichsbrücke ersetzt. 1907 kommt als zweite die Jung­buschbrücke, 1926 die Friedrich-Ebert-Brücke hinzu

1848

Friedrich Engelhorn sen. gründet eine Fabrik für Portativgas. Den bei der Gaserzeugung als Abfallprodukt entstehenden Teer verwertet er seit 1860 in einer Anilinfabrik. Aus ihr geht 1865 die BASF hervor. Obwohl die Fabrikanlagen in Ludwigshafen errichtet wer­den, behält das Unternehmen bis 1925 seinen Sitz in Mannheim.

Mannheim ist ein Ausgangs- und Mittelpunkt der politischen und revolutionären Bewe­gung. Aus der Quadratestadt kommen prominente gemäßigte Liberale wie Friedrich Da­niel Bassermann, Karl Mathy und Alexander von Soiron, Männer der Mitte wie Lorenz Brentano und Wilhelm Sachs, aber auch radikale Demokraten wie Karl Blind, Friedrich Hecker oder Gustav Struve. Katharina Betz und Therese Canton gründen zwei Frauen­vereine zur Unterstützung politischer Gefangener und Flüchtlinge.

1849 Nach Niederschlagung des badischen Volksaufstands werden zahlreiche Revolutionäre standrechtlich erschossen, so in Mannheim Heinrich Dietz, Karl Höfer, Peter Lacher, Va­lentin Streuber und Adolf von Trützschler
 1854 Eine französische Spiegelmanufaktur (heute Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH Werk Mannheim) nimmt auf dem zum Dorf Käfertal gehörenden Waldhof die Produktion auf und errichtet eine Wohnsiedlung für ihre zunächst französischen Arbeiter. In der Spiegelsiedlung wird 1897 der spätere Fußball-Bundestrainer Josef (Seppl) Herberger geboren.
 1855

In F 2 wird eine neue Synagoge errichtet. Der prunkvolle Bau mit Orgel dient dem libera­len Teil der jüdischen Gemeinde als Gotteshaus.

Mannheim zählt wieder über 25 000 Einwohner.

1859 

Heinrich Lanz führt unter der Firma seines Vaters amerikanische und englische Land­wirtschaftsmaschinen ein. Der damit verbundene Reparaturbetrieb bildet die Keimzelle der Maschinenfabrik Heinrich Lanz, die 1925 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird (seit 1967 John Deere Werke Mannheim).

Der Mannheimer Altertumsverein (heute Gesellschaft der Freunde Mannheims und der ehemaligen Kurpfalz) wird gegründet.

 1861 In der Gastwirtschaft „Halber Mond“, H 2, 3 konstituiert sich auf Initiative von Johann Peter Eichelsdörfer ein Arbeiter-Bildungs-Verein. Dieser steht in der Tradition des 1844 ins Leben gerufenen, 1847 aufgelösten Handwerker-Gesellen-Vereins. Bereits im ersten Jahr wächst die Mitgliedschaft auf über 500 an. Als Vorläufer der Sozialdemokratie ge­winnt der Verein bald überörtliche Bedeutung. 
 1862 Die Handelskammer beschließt die Errichtung einer Produktenbörse 
 1863

Auf Privatinitiative wird eine Töchterschule als erste höhere Lehranstalt für Mädchen er­öffnet. Aus ihr geht das heutige Elisabeth-Gymnasium hervor, das 1905 das neu erbau­te Schulhaus in D 7 bezieht.

Nach Aufhebung der Zünfte (1862) werden erste Gewerkschaften (Tabakarbeiter, Buch­drucker) gegründet. 

 1865 Johannes Brahms tritt erstmals in Mannheim auf. Zwischen 1872 und 1882 fungiert der Bankier Wilhelm Lindeck als Brahms’ Vermögensverwalter. Eine langjährige freund­schaftliche Verbindung pflegt Brahms mit Helene und Felix Hecht. 
 1866  Nach einer Dampfkesselexplosion im Vorjahr gründen 21 Unternehmer die „Gesell­schaft zur Überwachung und Versicherung von Dampfkesseln“. Aus ihr gehen die heu­tigen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) hervor. 1868 tritt Carl Isambert als erster Prüfer und Sachverständiger seinen Dienst an.
 1867  Die Rheinbrücke wird für den Eisenbahnverkehr eröffnet.
 1868

 Die revidierte Rheinschifffahrtsakte wird in Mannheim unterzeichnet. Die „Mannheimer Akte“ bildet bis heute die Rechtsgrundlage der freien Rheinschifffahrt.

Auf Initiative von Gewerkschaftern bildet sich eine Filiale des lassalleanischen „Allgemei­nen Deutschen Arbeitervereins“. Ein Jahr später sammeln sich die Anhänger Wilhelm Liebknechts und August Bebels in einem örtlichen Verein der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ („Eisenacher“). Beide Richtungen schließen sich 1875 zur „Sozialisti­schen Arbeiterpartei“ (seit 1890 SPD) zusammen. Unter dem Bismarck’schen „Sozialis­tengesetz“ (1878-90) entwickelt sich Mannheim zu einem Knotenpunkt des illegalen SPD-Netzes.

1869 Demokraten und Nationalliberale bilden Vereinsorganisationen. Während die Demokra­ten bis Mitte der 1880er Jahre dominieren, steigen seither die Sozialdemokraten zur stärksten politischen Kraft auf. Aufgrund des Drei-Klassen-Wahlrechts nehmen dennoch bis 1918 Nationalliberale die führende Stellung in der Kommunalpolitik ein. 
 1870 Die Badische Bank (seit 1978 Baden-Württembergische Bank) und die Rheinische Creditbank (1929 in der Deutschen Bank AG aufgegangen) werden gegründet. 
 1872

 Der Ingenieur Carl Reuther und der Schlossermeister Karl Bopp gründen ein gemein­sames Unternehmen in der Neckarstadt, das sich auf die Herstellung von Messinstru­menten und Zählern spezialisiert und 1894 auf den Waldhof übersiedelt (heute Bopp & Reuther AG).

Christian Friedrich Boehringer verlegt seine pharmazeutische Fabrik von Stuttgart nach Mannheim. Das als Boehringer Mannheim GmbH firmierende Unternehmen erhält 1985 für sein Analysegerät Reflotron den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft in Silber und wird 1990 vom Bundesverband der Deutschen Industrie für umweltorientierte Unter­nehmensführung ausgezeichnet. 1997 wird die Firma von dem Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche übernommen und trägt ab 1999 den Firmennamen Roche Diagno­stics GmbH.

Richard Wagner besucht Mannheim. Bereits ein Jahr zuvor hatte der Musikalienhändler Emil Heckel den ersten deutschen Wagner-Verein ins Leben gerufen.

1873 

 Friedrich Julius Bensinger gründet die Rheinische Hartgummiwaren-Fabrik in Neckarau, die sich seit 1885 Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik nennt. Die spätere Schildkröt AG geht schließlich in der Braas Flachdachsysteme GmbH & Co. Kunststoffwerk Mann­heim auf.

Ein Mannheimer Konsortium gründet die Chemische Fabrik Rheinau, die 1886 in eine Aktiengesellschaft für Chemische Industrie umgewandelt und 1887 an die Chemische Fabrik Rhenania in Aachen verkauft wird. 1912 übernimmt die Th. Goldschmidt AG das Rheinauer Werk, wo ab 1916 eine Versuchsanlage zur Kohlehydrierung (Gewinnung von Benzin aus Kohle) nach dem von dem Chemiker Friedrich Bergius entdeckten Ver­fahren errichtet wird. 1919 trennt sich Bergius von Goldschmidt und gründet die Deut­sche Bergin AG, wo er seit 1924 mit der Zuckergewinnung aus Holz experimentiert. 1931 erhält Bergius den Nobelpreis.

1875 Der Mühlauhafen wird eröffnet. 
1876 Der neue Hauptbahnhof an der Südostecke der Stadt wird in Betrieb genommen. 
1877 Die chemische Fabrik Lindenhof Weyl & Co. wird gegründet. 1889 erwirbt sie das Gelände auf dem Waldhof, wo sich heute die Chemische Fabrik Weyl GmbH befindet. 
1879 Die Mannheimer Versicherungsgesellschaft (heute Mannheimer Versicherungen AG) wird gegründet. 
1881  Der Fernsprechverkehr wird mit zunächst 47 Teilnehmern eröffnet
1882 Hinter der Sternwarte wird als private Vergnügungsanlage der Friedrichspark eröffnet. 
1883

Carl Benz gründet die Firma Benz & Co. Rheinische Gasmotorenfabrik, aus der später die Motorenwerke Mannheim AG (später Deutz AG Werk Mannheim) und das Mercedes-Benz Werk Mannheim-Waldhof hervorgehen.

Die 1880 gegründete Bauunternehmung Weis & Bernatz siedelt nach Mannheim über. Sie firmiert seit 1892 als Grün & Bilfinger oHG (heute Bilfinger Berger).

Die Eduard Kauffmann & Söhne GmbH gründet die erste Mannheimer Dampfmühle. Bis 1907 entstehen vier weitere Mühlen am Industriehafen.

Aus einer kleinen Rübölfabrik entsteht die Mannheimer Ölfabrik AG, die sich mit ande­ren Unternehmen zum Verein Deutscher Ölfabriken (heute Cereol Deutschland GmbH) zusammenschließt 

1884 

Am Altrhein bei Sandhofen entsteht die Zellstofffabrik Waldhof, die später in der SCA Hygiene Papier GmbH aufgeht.

Nachdem die Sozialdemokraten bereits seit 1878 dem Bürgerausschuss angehören, ziehen sie erstmals mit zwei Vertretern in den Stadtrat ein.

1886 Carl Benz lässt sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ patentieren und macht am 3. Ju­li eine erste Probefahrt: die Geburtsstunde des Automobils. Zwei Jahre später unter­nimmt Bertha Benz, die Frau des Erfinders, die erste Überlandreise nach Pforzheim mit dem „Patent-Motorwagen“.
1888 Am 1. August wird der erste Führerschein der Welt für Carl Benz ausgestellt
1889 Der von Gustav Halmhuber entworfene Wasserturm ist mit der Aufstellung der bekrö­nenden Figur der Amphitrite vollendet. Die zentrale Wasserversorgung, in deren System der Wasserturm als Druckausgleichsreservoir fungiert, wird bereits 1888 in Betrieb ge­nommen. 
1890

Die Badische Tonröhrenfabrik AG Friedrichsfeld wird gegründet. Das später Deutsche Steinzeugfabrik für Kanalisation und chemische Industrie genannte Unternehmen fir­miert heute als Friatec AG.

Das Bekleidungshaus Engelhorn & Sturm wird eröffnet.

Als erster Sozialdemokrat in Baden wird August Dreesbach in den Reichstag gewählt. Ein Jahr später erringt die SPD in Mannheim zwei Landtagsmandate. 

1894 Der Luisenpark zwischen Neckar und Oststadt, benannt nach der Großherzogin, wird zur öffentlichen Benutzung freigegeben. 
1895 Die Stadt erwirbt von Sandhofen die Friesenheimer Insel und beginnt mit dem Bau des Industriehafens.
1897

Der von privaten Finanziers und Firmen angelegte Rheinau-Hafen wird in Betrieb ge­nommen.

Der Verein „Frauenbildung – Frauenstudium“ bildet eine Ortsgruppe, die bald zu den stärksten im Reich gehört. Zu den maßgeblichen Mitgliedern zählen Julie Bassermann und Alice Bensheimer. 1916 gelingt dem Verein die Gründung einer Sozialen Frauen­schule zur Ausbildung von Fürsorgerinnen und verwandten Frauenberufen mit der Do­zentin der Handelshochschule Elisabeth Altmann-Gottheiner als geschäftsführender Vorsitzender und Marie Bernays als Leiterin.

Mit der Eingemeindung Käfertals wird das Industriegebiet Waldhof der Stadt eingeglie­dert. Mannheim zählt nun über 100 000 Einwohner und ist damit Großstadt. Bis 1913 folgen die Eingemeindungen Neckaraus (1899), Feudenheims (1910) sowie Sandhofens und des Rheinau-Gebiets (1913). Die Gemarkungsfläche der Stadt vergrößert sich um fast 350%.

1898 Eine private Ingenieurschule wird eröffnet. 1939 von der Stadt übernommen, geht die Ingenieurschule 1962 in staatliche Regie über (seit 1995 Fachhochschule Mannheim, Hochschule für Technik und Gestaltung).
1899

Die Sunlight (heute Lever Fabergé Deutschland GmbH) wird gegründet.

Das städtische Elektrizitätswerk am Industriehafen nimmt den Betrieb auf.

Auf gewerkschaftliche Initiative finden erste Volkshochschulkurse statt. In dieser Tradi­tion steht die Mannheimer Abendakademie und Volkshochschule GmbH.

Erstmals werden Frauen als ehrenamtliche Armenpflegerinnen berufen. Unter ihnen ist Alice Bensheimer, die mit Marie Tillessen 1905 auch in die städtische Armenkommis­sion gewählt wird.