Ankara, Türkei 2014

Endlich war es soweit. Der große Tag der Abreise stand vor der Tür. Ich rückte meinem Traum, die Arbeitswelt und die Verwaltungsarbeit in der Türkei kennenzulernen, immer näher. Mein Name ist Saliha Tuğçe Tosun. Im Rahmen meines Dualen Studiums bei der Stadtverwaltung Mannheim hatte ich die Möglichkeit, ein Auslandssemester in einer der Partnerstädte Mannheims zu absolvieren. Das Zielland war für mich klar: Türkei. Mich als eine gebürtige Deutsche mit türkischen Wurzeln hatte schon immer abseits des ‘Urlaubsziels Türkei’ die Arbeitswelt und der Alltag in meinem Heimatland interessiert.

Die Stadt Mannheim pflegt freundschaftliche Beziehungen zum Istanbuler Stadtteil Beyoğlu – zweifellos wäre ein Praktikum in Beyoğlu auch sehr interessant und erfahrenswert gewesen, ich aber hatte die Hauptstadt vor Augen, Ankara. Auf Eigeninitiative also organisierte ich unter Zustimmung meiner Fachbereichsleitung meinen Auslandsaufenthalt bei der Metropolstadtgemeinde Ankara. Nach einer langen Planungsphase war ich am 30.Juni 2014 an meinem neuen Arbeitsplatz angekommen: Ankara Büyükşehir Belediyesi, Amt für Auswärtige Angelegenheiten, Hipodrom Cadde No 5, Yenimahalle Ankara, 22. Stock. Mit meinen neuen 15 Kollegeinnen und Kollegen teilten wir ein Großraumbüro, was für mich die erste Neuheit auf dem Arbeitsplatz war – in Mannheim teilen wir uns zweier dreier Büros Plus einen Fachbereichsleiter, zwei Vertreter und mich waren wir insgesamt 19 Personen. Vom ersten Tag an wurde ich herzlich aufgenommen und war sofort ein fester Bestandteil des Teams. Nachdem ich die ersten Tage die verschiedenen Arbeitsgebiete meiner neuen Arbeitsstelle und meine neuen Kolleginnen und Kollegen kennengelernt hatte, wurden mir auch schon bereits erste Aufträge zugeteilt. Irgendwie war alles neu für mich, irgendwie auch nicht. Die Verwaltungsarbeit ist mir bekannt, dennoch gibt es so viele Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ankara und Mannheim! Dann reden auch noch alle türkisch. Klar, ich bin in der Türkei, hier wird türkisch gesprochen! So ungewohnt es mir anfangs vorkam, so schnell gewöhnte ich mich auch daran, ab sofort in meiner Muttersprache zu kommunizieren und zu arbeiten.

Neben einem eigenen Schreibtisch mit PC und Telefon gab es einen Service, den ich aus Deutschland nicht kannte: eine Kellnerin, die uns den Tag über nach Wahl mit türkischem Cay oder Mocca von der Küche aus versorgt – ganz selbstverständlich. Da dauerte es nicht lange, bis ich “Cay-Fan” zum “Cay-koliker” wurde. Mein Hauptaufgabengebiet war die Organisation und Vorbereitung der Generalversammlung der Europapreisträgerstädte, dessen Präsidentschaft der Oberbürgermeister Ankaras, Melih Gökcek, innehat. Von der Verfassung der Einladung bis zur Verabschiedung der Delegierten am Flughafen unterstützte ich das Team “Dis Iliskiler” (Auswärtige Angelegenheiten) bei dieser dreitägigen internationalen Veranstaltung. Außerdem wurde mir die Aufgabe als Moderatorin des Jugend- Kommittes erteilt, das parallel zur Generalversammlung stattfand. Zwar sind mir Abendveranstaltungen von unserem Fachbereich in Mannheim durchaus bekannt, die Dimension in der Hauptstadt der Türkei war aber eine absolute Neuheit für mich. Auch im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung durfte ich meinen dortigen Fachbereichsleiter, Herrn Kabasakal, bei Besuchen zu ausländischen Botschaften bspw. begleiten. Nach dieser arbeitsintensiven Veranstaltungsphase äußerte ich unserem Fachbereichsleiter meinen Wunsch, auch andere Ämter und Fachbereiche der Metropolstadtgemeinde Ankara kennenlernen zu wollen – und schon begleitete ich drei Tage das Team “Fen Isleri” (Fachbereich Wissenschaft) auf dem Bau des “Ankapark”, dem größten Vergnügungspark der Türkei  mit 2.000 Attraktionen auf         2 Mio. m² Fläche sowie Innen- und Außenbereich sollen im August 2015 neben der Bevölkerung Ankaras und Nachbarstädten sowohl landesweit als auch international den Tourismus der Stadt beleben. Über die finanziellen Angelegenheiten der Stadt wurde ich im Fachbereich “Mali isler” (Finanzen) belehrt.

Ein weiteres Highlight meines Praktikums in Ankara war zweifellos der Besuch in “Ostim” (Organize Sanayi Bölgesi – Organized Industrial Region), worüber ich schon so viel gehört hatte, nie aber Näheres erfahren und gesehen hatte. Der Personalleiter Herr Ufuk Güvendiren führte mich ein in die “eigene Welt der Cluster” in Ankara. Tatsächlich gilt dieses 5 Mio. m² - Gebiet als ein solches, das sich als eine eigenständige “Stadt” sieht, welches kontinuierlich wächst und sich mit 100 Mitarbeitern nahezu unabhängig von der Metropolstadtgemeinde unterhält und auf den Beinen steht. Ostim ist das Industrie- und Handelszentrum des Nahen Ostens und hat den Schwerpunkt auf Schwerindustrie. 5000 inländische und ausländische Firmen, 17 Hauptsektoren und 139 Geschäftsgebiete beschäftigen 50000 Menschen. Es herrscht mit den Worten des Personalleiters “eine schreckliche Produktionskraft” in allen der sechs Cluster: Medizin, Geschäfts- und Baumaterialien, Verteidigung und Luft- und Raumfahrt, Schienensysteme, Kautschuk, Erneuerbare Energien und Windkraftanlagen. Der kontrollierte kollektive Wettbewerb und Gewinn ist hierbei äußerst wichtig. Ostim ist ein erfolgreiches Clusterland, welches sich weltweit behauptet und inzwischen Beratungsleistungen anbietet für Delegierte der Länder wie z.B. Nordafrika, Polen, Ukraine, die selbst in die Clusterwelt eintreten wollen, und das nötige Know-How vom “Profi” erlernen möchten. Tolle Erfahrung! Überdies, führte mich unser Fachbereichsleiter durch die stetig wachsende Stadt Ankara, erläuterte mir Visionen und Missionen, zeigte mir laufende Bauprojekte, fertiggestellte Projekte, sowie auch Sehenswürdigkeiten der Stadt Ankara. Neben der Tatsache, dass sich während meines Auslandaufenthaltes meine Muttersprache deutlich verbessert hat, hat sich bei mir vor Allem aber das Gefühl der Zugehörigkeit zu beiden Völkern gestärkt. Deshalb bin ich sehr dankbar solch tolle Erfahrungen gesammelnt haben zu können.

 

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