Forschungsstelle Geschichte der Mannheimer Hofkapelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Als Leopold Mozart im Juli 1763 auf der großen Europareise zusammen mit seinen Kindern die kurpfälzische Residenz besuchte, hatte er Gelegenheit, die Mannheimer Hofkapelle in einer musikalischen Akademie kennenzulernen. Unter dem unmittelbaren Höreindruck schrieb der mit Lob eher sparsame Kenner der europäischen Musikszene an seinen Freund Lorenz Hagenauer nach Salzburg: »das Orchester ist ohne widerspruch das beste in Teutschland«. Am Mannheimer Hof entstand während der Regierungszeit des musikliebenden Kurfürsten Carl Theodor in den Jahren von 1743 bis 1778 eine der leistungsfähigsten Hofkapellen Deutschlands, die einige Zeitgenossen sogar über Vater Mozarts Urteil hinaus für eine der besten in ganz Europa hielten. Vorbildliche Spieldisziplin zusammen mit spieltechnischer Virtuosität aller Musiker erzeugten die oft zitierten überwältigenden Klangwirkungen des Orchesters. Geradezu schwärmerisch formuliert sie Christian Friedrich Daniel Schubart: »Kein Orchester der Welt hat es je in der Ausführung dem Manheimer zuvorgethan. Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Catarakt, sein Diminuendo – ein in die Ferne hin plätschernder Krystallfluss, sein Piano ein Frühlingshauch«. Ein weiteres wichtiges Merkmal benennt der englische Musikhistoriker Charles Burney, der das Mannheimer Hoforchester im Jahr 1772 anläßlich einer Opernaufführung in der Sommerresidenz in Schwetzingen hörte: »Ich kann diesen Artikel nicht verlassen, ohne dem Orchester des Churfürsten Gerechtigkeit zu erweisen, welches mit Recht durch ganz Europa so berühmt ist. Ich fand wirklich alles daran, was mich der allgemeine Ruf hatte erwarten lassen. ... Es sind wirklich mehr Solospieler und gute Komponisten in diesem, als vielleicht in irgend einem Orchester in Europa. Es ist eine Armee von Generälen, gleich geschickt einen Plan zu einer Schlacht zu entwerfen, als darin zu fechten«. Die erwähnte Konstellation von Komponist und Virtuose in einer Person sowie die Größe, Ordnung, Disziplin und die unglaubliche Perfektion in der Ausführung sind die immer wiederkehrenden Themen in den Aussagen der Fremden, wenn sie das ›Ereignis Mannheimer Hofkapelle‹ beschreiben. Diese einzigartige Verbindung von Virtuosität und kompositorischer Kompetenz erklärt die doppelte Bedeutung der Hofkapelle Carl Theodors – für die Geschichte des Orchesters und für die Kompositionsgeschichte.
Hier setzt das Forschungsprojekt an, das seit 1990 die umfassende Sammlung und Aufbereitung der archivalischen und musikalischen Quellen der Institution Mannheimer Hofkapelle zum Ziel hat. Vergleichende institutionsgeschichtliche Fragestellungen sowie stilkritische Untersuchungen zur Kompositionspraxis der musikgeschichtlich bedeutenden Mannheimer Schule, Studien zu ihrer Rolle in der Entwicklungsgeschichte des modernen Orchesters und Fragen zur historischen Aufführungspraxis bilden weitere Schwerpunkte der Forschungsarbeit. Die Ergebnisse werden in der Schriftenreihe Quellen und Studien zur Geschichte der Mannheimer Hofkapelle im Frankfurter Verlag Peter Lang veröffentlicht. Aus der Fülle der überlieferten Werke werden zudem die wertvollsten und historisch wichtigsten Kompositionen ausgewählt und in einer weiteren Publikationsreihe, Musik der Mannheimer Hofkapelle (MMH), ediert. Diese kritischen Ausgaben wenden sich sowohl an die Wissenschaft als auch an die Praxis und berücksichtigen gleichermaßen die Bereiche Geistliche Musik, Weltliche Vokalmusik, Orchestermusik und Kammermusik.
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