Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
Am 27. Januar 2025 beging die Stadt Mannheim den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus mit einer eindrucksvollen und bewegenden Veranstaltung.
In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Gedenkveranstaltung auf den Deportationen von mehr als 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland. Am 22. und 23. Oktober 1940 deportierten die Nationalsozialisten mehr als 6.500 jüdische Männer, Frauen und Kinder in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich, fast 2.000 von ihnen waren Mannheimer Bürgerinnen und Bürger.
Die 1. Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mannheim, Prof. Dr. Deborah Kämper, betonte in ihrer Begrüßung, dass die Deportation nach Gurs im kollektiven Gedächtnis der Stadt tief verwurzelt sei. Die Erinnerung daran, dürfe nicht verloren gehen, denn Erinnerung und Gedenken seien in dieser Zeit unabdingbarer denn je.
Dass die menschenverachtenden Ereignisse der NS-Zeit sich unter den Augen der Bevölkerung, oft begleitet von Gleichgültigkeit oder stillschweigender Zustimmung ereigneten, daran erinnerte Oberbürgermeister Christian Specht in seiner Rede. Und er mahnte: „Trauer, Wut und Scham erfüllen uns bei dem Gedanken daran, was die Deportierten erlitten und welche Rolle Staat und Gesellschaft dabei spielten. Es ist unsere Verantwortung, die Opfer dem Vergessen zu entreißen, ihre Biografien zu erzählen und ihnen ihre Würde zurückzugeben. Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus bleibt eine zentrale Aufgabe unserer Stadtgesellschaft. Erinnern und Gedenken bedeutet, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und aus der Vergangenheit Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen“.
Der Oberbürgermeister betonte, dass die Gurs-Deportationen für den südwestdeutschen Raum nicht nur eine neue Eskalationsstufe in der seit 1933 sich immer mehr zuspitzenden und brutaler werdenden antijüdischen Politik des NS-Staats bedeuteten, sie bildeten auch eine Zäsur im Hinblick auf jüdisches Leben in Baden, der Pfalz und dem Saarland. In Kleinstädten und auf dem Land waren die jüdischen Gemeinden nach dem 22./23. Oktober vollständig ausgelöscht. In Städten wie Mannheim blieb nur ein Bruchteil der jüdischen Bevölkerung zurück.
In den Gurs-Deportationen kulminierte die systematische Ausgrenzung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden im deutschen Südwesten. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 sei der Antisemitismus zur Staatsräson geworden, erklärte der OB, der im weiteren Verlauf seiner Rede auch an die unmenschlichen Bedingungen im Lager Gurs erinnerte: „All diese Schilderungen und nackten Zahlen erschüttern uns –doch lassen sie uns nur ansatzweise das Leid der Deportierten erahnen. Um den Terror des Nationalsozialismus zu erfassen, müssen wir ihn uns aus der Perspektive der Betroffenen, der Opfer und Verfolgten betrachten. Sich den Biografien und individuellen Leidenswegen der Deportierten zu widmen, verschafft uns einen tieferen, unmittelbareren und emotionaleren Zugang zur NS-Geschichte als bloßes Zahlenwerk es vermag“.
Deshalb dankte der Oberbürgermeister vor allem auch den Schülerinnen und Schülern der fünf beteiligten Mannheimer Schulen, die die Gedenkfeier mitgestaltet hatten. Das Johanna-Geissmar-Gymnasium zeigte ein szenisches Spiel zur Deportation der Namensgeberin ihrer Schule nach Gurs. Die Friedrich-List-Schule hatte sich mit dem Leben von Oskar Althausen beschäftigt. Ein selbst erstellter Stolpersteinrundgang und Vorträge über Gurs, die vom Feudenheim-Gymnasium erarbeitet worden waren, sollten vor allem der Sensibilisierung jüngerer Klassen dienen.
Das Ludwig-Frank-Gymnasium präsentierte ein Interviewprojekt mit dem Dokumentarfilmer Dietmar Schulz, ergänzt durch Ausschnitte aus seinem Film „Der Hölle entkommen“ und die Mannheimer Akademie für soziale Berufe zeigte eine Film-Theater-Collage, die eindrücklich die Deportation und das Schweigen der Gesellschaft thematisierte. Das MARCHIVUM hatte die Schülerinnen und Schüler im Vorfeld beraten und die Veranstaltung insgesamt inhaltlich betreut.
Die musikalische Gestaltung durch den Kantor der Jüdischen Gemeinde, Amnon Seelig, sowie die Pianistinnen Ava Xuexi Wang und Leyla Ida Dahlhaus, verliehen der Veranstaltung eine besondere Atmosphäre. Durch den Abend führten die Vorsitzende des Vorstands des Mannheimer Stadtjugendrings, Laura Gattner zusammen mit Seit Ristemoski, ebenfalls Vorstandsmitglied des Stadtjugendrings.