Neue Stolpersteine in der Innenstadt verlegt
„Seit 2007 wurden in Mannheim 261 Stolpersteine verlegt. Diese Gedenksteine erinnern an die Menschen, die in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus diffamiert, gedemütigt, ausgegrenzt, entrechtet, verfolgt und sogar ermordet wurden“, erläuterte Oberbürgermeister Christian Specht, als gestern (23.10.12023) weitere elf Steine in Mannheim verlegt wurden. Diese Stolpersteine erinnern an die vier „Kinder von Izieu“, Sami Adelsheimer, Max Leiner, Otto Wertheimer und Fritz Löbmann sowie deren Angehörige. Ihre Leidenswege wurden in einer deutsch-französischen Wanderausstellung dokumentiert, die von Schülerinnen und Schülern aus Mannheim und Lyon gemeinsam erarbeitet wurde.
„Die heutigen Stolpersteinverlegungen gehen ebenfalls auf die Initiative von Jugendlichen zurück. Das Deutsch-Türkische Institut hat im vergangenen Jahr mit Schülerinnen und Schülern der Marie-Curie-Realschule und der Friedrich-List-Schule ein beeindruckendes Projekt durchgeführt. Die Jugendlichen haben sich mit der NS-Zeit, der nationalsozialistischen Judenverfolgung und dem Schicksal der vier Mannheimer "Izieu-Kinder" auseinandergesetzt. Sie haben deren Lebensgeschichten erforscht, Videos, Podcasts und Instagram-Stories erstellt, sich mit den Stolpersteinen in Mannheim beschäftigt und sogar eine Veranstaltung im Marchivum organisiert. Darüber hinaus haben sich Schülerinnen und Schüler der Marie-Curie-Realschule aktiv an der Gedenkveranstaltung am Jahrestag der Gurs-Deportation am 22. Oktober beteiligt. Ihnen gebührt unser herzlicher Dank“, betonte der Oberbürgermeister.
Im Oktober 1940 wurden mehr als 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert, darunter auch die Familien und Angehörigen der vier Mannheimer „Izieu-Kinder“. Einige wurden später in das Internierungslager Rivesaltes gebracht, während die Familie Löbmann auf eine mögliche Ausreise in die USA hoffte und sich 1941 in einem sogenannten Auswandererlager in Marseille befand. Doch die meisten von ihnen wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Nur Julius Löbmann überlebte, indem er aus einem Arbeitslager floh und sich bis zur Befreiung Südfrankreichs versteckte.
Die Kinder, darunter Sami Adelsheimer, Max Leiner, Otto Wertheimer und Fritz Löbmann, wurden von internationalen Hilfsorganisationen gerettet. Das jüdische Kinderhilfswerk OSE, französische Pfadfindergruppen, das Schweizerische Rote Kreuz und amerikanische Quäker konnten hunderte deportierte Kinder und Jugendliche aus den Internierungslagern retten, sie verstecken und zur Flucht in die Schweiz oder ins Ausland verhelfen. Die vier Mannheimer Jungen kamen im Kinderheim von Izieu unter, etwa 80 km westlich von Lyon.
Dort führten sie gefälschte Papiere, um nicht als Juden erkannt zu werden. In Izieu erhielten sie Sicherheit und die Möglichkeit, ein normales Leben zu führen, sich zu bilden und auf eine bessere Zukunft vorzubereiten. Es war die erste Zeit seit ihrer Deportation im Herbst 1940, in der sie wieder einigermaßen normal leben konnten.
Leider endete dieses Kapitel der Geschichte am 6. April 1944, als eine Razzia in Izieu stattfand, angeordnet von Klaus Barbie, dem berüchtigten Gestapo-Chef von Lyon. Gestapo-Männer und Wehrmachtssoldaten stürmten das Waisenhaus und nahmen alle 44 Kinder sowie sieben Erzieherinnen und Erzieher fest. Alle wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sami Adelsheimer wurde nur 5 Jahre alt, Max Leiner 7, Otto Wertheimer 12 und Fritz Löbmann 15 Jahre alt.
„Die tragische Geschichte dieser vier Mannheimer Kinder und ihrer Familien wird in unserer Stadt nicht vergessen. Es ist mir daher besonders wichtig, dass nun auch Stolpersteine an sie erinnern. Denn Stolpersteine führen uns immer wieder vor Augen, dass die nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen vor unserer Haustür stattfanden oder zumindest ihren Anfang nahmen. Was in millionenfachem Mord kulminierte, begann mit Diskriminierungen im Alltag, mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft und der sukzessiven Verdrängung aus nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen“, so der Oberbürgermeister. Und er ergänzte: „An den letzten Wohnorten der Opfer und Verfolgten „stolpern“ wir in unserem heutigen Alltag über die Steine und die durch sie vermittelten Verfolgungsgeschichten. Sie sind damit – im wahrsten Wortsinn – Denk-Male, die einerseits Trauer ausdrücken und das Andenken der Verstorbenen bewahren, zum anderen aber zur Reflexion anregen und mahnen“.
An der Stolperstein-Verlegung nahm auch der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte, Dr. Michael Blume teil. Im Anschluss besuchte er gemeinsam mit dem Oberbürgermeister die multimediale Dauerausstellung zur Mannheimer NS-Zeit „Was hat das mit mir zu tun?“ im MARCHIVUM.
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