Schillerpreis an Golineh Atai verliehen
Die Journalistin und Autorin Golineh Atai hat aus den Händen von Oberbürgermeister Christian Specht den Schillerpreis 2024 erhalten. Der mit 20.000 Euro dotierte Schillerpreis ist der bedeutendste Preis der Stadt Mannheim und wird seit 1954 alle zwei Jahre an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr Schaffen zur kulturellen Entwicklung in hervorragender Weise beigetragen haben.
„Golineh Atai steht für einen fundierten, sorgfältigen und ausgewogenen Journalismus. Dabei gelingt es ihr, die herausfordernde Komplexität der Sachverhalte so zu vermitteln, dass die Anteilnahme erhalten bleibt. Solche Berichterstattung ist unverzichtbar, um in einer globalisierten Welt mit ihrer Informationsflut zu validen Einschätzungen und Entscheidungen zu kommen“, erklärte Oberbürgermeister Specht beim Festakt in der Kunsthalle Mannheim und betonte: „Ihre journalistische Integrität und ihr Mut, den Finger überall dort in die Wunde zu legen, wo es der Schutz der Freiheit und der Menschenwürde fordert, prädestiniert sie für den Schillerpreis der Stadt Mannheim. Wie Schillers Kunst fordert uns Ihre Arbeit auf, den gemeinsamen Diskurs aufzunehmen und uns im Namen der Menschenrechte für die Demokratie stark zu machen.“
Golineh Atai wurde 1974 in Teheran geboren und zog im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern aus dem Iran nach Deutschland, wo sie in Hoffenheim aufwuchs. Nach dem Studium der Romanistik, Politologie und Iranistik wurde sie Journalistin. Von 2006 bis 2008 war sie für die ARD als Korrespondentin in Kairo tätig, von 2013 bis 2018 war sie als ARD-Korrespondentin in Moskau. Während des Euromaidan in der Ukraine berichtete Atai für die ARD aus Kiew und dokumentierte in einem Beitrag für den Weltspiegel manipulative Praktiken russischer und ukrainischer Fernsehsender.
2022 wechselte sie zum ZDF und übernahm die Leitung des Studios in Kairo, das für die Berichterstattung aus weiten Teilen der arabischen Welt zuständig ist. Bei der Fußball-WM 2022 in Katar war sie als Korrespondentin für das ZDF-Sportstudio vor Ort. 2019 erschien ihr Buch „Die Wahrheit ist der Feind – Warum Russland so anders ist“. Golineh Atai hat im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 2014 den Hanns-Joachim Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus und die Auszeichnung als Journalistin des Jahres für ihre „herausragende Berichterstattung in der seit über einem Jahr andauernden Debatte in der Ukraine-Krise“. Golineh Atai hat sich stets für die Rechte und die Freiheit der Menschen eingesetzt, vor allem für Frauen. So hat sie vor kurzem ein Buch unter dem Titel „Iran – die Freiheit ist weiblich“ veröffentlicht.
„Ihr Lebensweg ist wie bei Schiller geprägt vom ständigen Wechsel der Lebensorte, vom Ankommen, Zurechtfinden, Neues erleben und Kennenlernen. Stets verknüpft mit der Konstanten einer an den Menschen orientierten journalistischen Berichterstattung. Stets mit dem Appell nach der Wahrung der Menschenrechte, der Freiheit und damit der Menschenwürde“, sagte Oberbürgermeister Specht und betonte: „Golineh Atai ist eine Schillerpreisträgerin, wie sie nicht besser zur Stadt Mannheim, ihrer Geschichte und ihrer Gegenwart passen könnte.“
Bei dem Festakt in der Kunsthalle Mannheim gab die Leiterin des ZDF-Studios in Kairo bekannt, dass Sie das Preisgeld von 20.000 Euro für die medizinische Behandlung eines irakischen Studenten einsetzen wird, der seit einer Schussverletzung bei einer Demonstration 2020 vom Hals abwärts gelähmt ist und den sie in einem ihrer Berichte portraitiert hatte. Anstelle einer klassischen Laudatio hatte sich Golineh Atai ein Gespräch mit dem Titel „Blick in das ‚Fremde‘“ mit der Bloggerin und Autorin Juna Grossmann gewünscht. Begleitet von Filmsequenzen tauschten sich die beiden Freundinnen auf der Bühne über die aktuellen Zustände im Libanon, Jemen, Syrien, Sudan, Irak, Iran und Ägypten aus.
Der Schillerpreis
Der Schillerpreis – der bedeutendste Preis der Stadt Mannheim – ist mit 20.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr Schaffen zur kulturellen Entwicklung in hervorragender Weise beigetragen haben. Er wird in Erinnerung an Friedrich Schiller verliehen, der von 1783 bis 1785 als Theaterdichter in Mannheim lebte und wirkte. Bereits 1782 rief die Uraufführung seines Stücks „Die Räuber“ im Nationaltheater Tumulte hervor. Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern des Schillerpreises zählen unter anderem Friedrich Dürrenmatt (1958), Prof. Dr. Golo Mann (1964), Peter Handke (1972) und Lea Rosh (1990). Am 16. April 2024 hat der Gemeinderat der Stadt Mannheim beschlossen, Golineh Atai den Schillerpreis zu verleihen.
Text der Urkunde zum Schillerpreis:
Unentwegt, unerschrocken und couragiert berichtet Golineh Atai seit etwa zwanzig Jahren dem deutschen Publikum von den Verhältnissen, die in autokratischen Staaten herrschen. Die deutsche Öffentlichkeit kennt sie als Korrespondentin in Moskau und Kairo, nicht zuletzt auch vom Euromaidan in der Ukraine von 2013/14. In ihren Büchern vermittelt sie, dass diktatorische Systeme weniger erträglich und verträglich sind, als wir es uns gerne vorstellen.
Es springt ins Auge, was die Preisträgerin mit Schiller verbindet. Wie bei dem Dichter der Räuber, der 1782 von Stuttgart nach Mannheim floh, gehen bei ihr das Verlassen der ersten Heimat mit der Eroberung der Meinungsfreiheit Hand in Hand. Wie der Theatermann Schiller kennt und bespielt sie die appellative und emanzipatorische Macht der Medien. Wie Schiller sieht sie keinen Grund zur Beschönigung darin, dass „Die großen Herrn … so selten dabei (sind), wenn sie Böses tun.“ (Fiesco). Und wie der Autor der klassischen Geschichtsdramen zeichnet sie Autokraten, deren Machterhalt auf Entrechtung und Destruktion beruht im Sinne des Großinquisitors in Don Karlos: „Der Verwesung lieber, als/ Der Freiheit.“
Golineh Atai weiß, wovon sie spricht, wenn sie von Freiheit spricht. Ihr Engagement für die Rechte und Freiheiten der Menschen macht sie zu einer beispielgebenden Persönlichkeit für die Bewahrung unserer demokratischen Grundwerte.