STADTENTWICKLUNGSIMPULSE – ein Abend rund um das Thema „Demokratie und Stadtentwicklung in Zeiten des Populismus“
„Schon heute leben mehr als 50 % der Menschen weltweit in Städten. Die Zukunft wird sich also in den Städten entscheiden – und damit auch die Demokratie“, betonte MWSP-Geschäftsführer Achim Judt bei der Begrüßung der zahlreichen interessierten Gäste, die am Mittwochabend, 17. Mai 2017, zum Auftakt der Diskussionsreihe STADTENTWICKLUNGSIMPULSE in die Turnhalle der ehemaligen Elementary School nach FRANKLIN gekommen waren. Der Abend stand unter dem Titel „Demokratie und Stadtentwicklung in Zeiten des Populismus“. Kooperationspartner waren das Geschichtsprojekt ZEITSTROM mit der Ausstellung „100 Tage Trump – Welt im Umbruch?“ von SchülerInnen der Friedrich-List-Schule Mannheim und die Stadt Mannheim im Rahmen des Leitbildprozesses „Mannheim 2030“.
Kernaufgabe der Mannheimer Wohn- und Stadtentwicklungsgesellschaft MWSP ist der Erwerb, die qualitative Erschließung und die Vermarktung der ehemaligen US-Militärflächen. Mit der Veranstaltungsreihe STADTENTWICKLUNGSIMPULSE schafft die MWSP eine öffentliche Plattform für gesellschaftspolitische Themen, denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben begegnet, aber die sie nur selten in Bezug zur Stadtentwicklung diskutieren kann. So geht die Konzeptionierung und Entwicklung neuer Quartiere permanent mit der Frage einher, wie man in Zukunft wohnen, arbeiten und miteinander leben will. Der Konversionsprozess in Mannheim wird auf diese Weise zum Impuls gesellschaftlicher Änderungs- und Aushandlungsprozesse.
Für den Auftakt der Veranstaltungsreihe war Prof. Claus Leggewie der Einladung der MWSP gefolgt. In seinem einleitenden Vortrag „Gefahren und Chancen des Populismus für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt“ gab der Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen und Träger der Ludwig-Börne-Professur interessante Impulse für die anschließende Podiumsdiskussion mit ExpertInnen aus Politik, Sozialwissenschaft und Kunst.
So bezeichnete Claus Leggewie den Populismus als Methode politischer Unternehmer, einen Gegensatz zwischen Bevölkerung und Elite zu konstruieren, um einen Keil zwischen diese zu treiben. Den größten Erfolg hätten populistische Parteien unter bisherigen Nicht-Wählern, wobei sich in der tagespolitischen Realität zeige, dass entsprechende politische Kräfte ihren Lösungsansätzen oft keine Umsetzung folgen ließen.
Im zweiten Teil seines Vortrags widmete sich Claus Leggewie den Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Seine wahlsoziologischen Ableitungen machten deutlich, dass nicht von einem generellen Stadt-Land-Gefälle gesprochen werden kann. Weder gebe es den ländlichen Raum allgemein als „Lepenistan“ noch den städtischen Raum als „Macronie“. Vielmehr entscheide sich das Wahlverhalten kleinräumig innerhalb dieser Gebiete und entlang der Kategorien Bildung, Alter und Berufsstand. Einen weiteren zentralen Unterschied machte der passionierte Frankreich-Experte deutlich: Zwar weisen sowohl Le Pen als auch Macron eine Zuordnung in ein Spektrum rechter und linker Parteien von sich. Doch während das „ni droite ni gauche“ (frz.: „weder rechts noch links“) des Front National eindeutig als historische Referenz auf die konservative Konterrevolution zu Zeiten der Dritten Republik Frankreichs und als Anti-System-Politik zu verstehen sei, zeige sich die Bewegung Macrons hingegen als gesellschaftsoffen, gesprächsbereit und versöhnend.
Prof. Claus Leggewie, der als Mitglied des Beirats für Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU) von 2008-2016 in mehreren Gutachten die Position vertrat, dass Stadt- mit Demokratieentwicklung einhergehen müsse, schloss seinen Vortrag mit einer ebensolchen Perspektive: Vor allem der Fall Trump sei eine Lehre für Europa gewesen. „Wir stehen an einer Wende zum Besseren. Doch von alleine passiert in der Politik nichts“, merkte der Politikwissenschaftler an. Populisten seien in den Kreisen am erfolgreichsten, in denen man von den politischen Eliten enttäuscht sei. Das beste Mittel gegen Populismus sei es, mit der Rhetorik vermeintlicher Alternativlosigkeit zu brechen und eine Stadtentwicklung zu betreiben, die nachvollziehbare und erlebbare Alternativen für diejenigen bieten könne, die sich nicht mehr repräsentiert fühlen. FRANKLIN werde hier zum Labor lokaler Demokratie.
Auch Prof. Marc Debus sieht in diesem Ansatz eine Lösung für die bestehende politische Kluft. Bei der Podiumsdiskussion machte der Leiter des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung auf das Misstrauen von Teilen der Bevölkerung in das politische System und die zunehmende Unzufriedenheit mit der Demokratie aufmerksam. Im Rahmen der Stadtplanung sei es möglich, solche Probleme aufzugreifen, Ängste abzubauen und positive gesellschaftliche Veränderungen erlebbar zu machen.
Die Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft seien zufriedene, informierte Bürger, bekräftigte Prof. Heidrun Kämper, Leiterin des Arbeitsbereichs Sprachliche Umbrüche am Institut für Deutsche Sprache Mannheim. Zudem weist die SPD-Stadträtin auf die hohe Verantwortung von PolitikerInnen für einen sensiblen Gebrauch der Sprache hin. Populismus sei immer auch ein kommunikatives Phänomen, das darauf angewiesen sei, von anderen aufgenommen und bestätigt zu werden.
Wie Kultur- und Bildungseinrichtungen reagieren können, erklärte Burkhard C. Kosminski. Mit Bürgerbühnen könne man Menschen erreichen, die sich mit politischen Themen zuvor nicht beschäftigt haben. Im Umkehrschluss würde das Theater neue Besuchergruppen gewinnen und mit ihnen Anregungen für neue Themen. „Da wo Menschen sich interessieren, findet eine Veränderung statt“, erklärte der Schauspielintendant des Nationaltheaters Mannheim. Dort wird derzeit das Theaterstück „Spiel ohne Grenzen“ gezeigt, das sich mit der manipulativen Kraft postfaktischer Meldungen auseinandersetzt und die Perspektive geflüchteter Menschen in Form selbst erstellter Rap- und Filmbeiträge einbringt. Zudem betonte Kosminski, dass Kultur mit den ihr zur Verfügung stehenden künstlerischen Mitteln auch die politische Diskussion suchen müsse.
„Die lokale Gemeinschaft wird durch Menschen gestaltet, die sich für sie engagieren“, so Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Dafür sei der Planungsprozess der Mannheimer Konversionsflächen das beste Beispiel. Aus den Ideen der Bürgerschaft seien Leitgedanken entstanden, die den Entstehungsprozess des neuen Mannheimer Stadtteils FRANKLIN wesentlich geprägt hätten. So sei es dem Bürgerbeteiligungsprozess auch zu verdanken, dass die Konversionsfläche Taylor zu einem außergewöhnlichen Gewerbegebiet mit Grünzug und Aufenthaltsqualitäten für Jung und Alt entwickelt werde. „Es ist etwas angestoßen worden, das Wirkung zeigt“, betonte der Oberbürgermeister. Das beste Mittel, einer politischen Spaltung entgegenzuwirken, seien Begegnungen. „Wir müssen Anlässe schaffen, um die Menschen ins Gespräch zu bringen, die sonst nicht miteinander reden würden.“ Die derzeit erkennbare allgemeine Repolitisierung führe bei vielen Menschen zu einer bekräftigten Wertschätzung von PolitikerInnen und repräsentativer Demokratie, so der Oberbürgermeister weiter.
Am Ende der Diskussion sind sich ExpertInnen und ZuhörInnen einig: Wo eine Vision besteht, die Lust auf die Zukunft macht, hat Populismus keine Chance. Dazu bietet Mannheim mit seinen Konversionsflächen die besten Möglichkeiten und Alternativen.
Zwei Mal jährlich wird die MWSP künftig zur Reihe „Stadtentwicklungsimpulse“ ReferentInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Kultur und Architektur zu übergeordneten Themen der Stadtentwicklung einladen und deren Impulse mit lokalen AkteurInnen aus Mannheim diskutieren. Die nächste Veranstaltung zum Thema „Reformation, Religionen und interkulturelles Zusammenleben im Quartier“ findet am 25. Oktober in der Turnhalle der ehemaligen Elementary School auf FRANKLIN statt.