Kunsthalle Billing-Bau
Ende des 20. Jahrhunderts werden zunehmend statische und bauphysikalische Mängel an der Gebäudesubstanz des Jugendstilbaus von 1907 festgestellt. Insgesamt sind Alt- und Neubau unter klimatischen, sicherheitstechnischen und baulichen Aspekten für einen an internationalen Standards orientierten Ausstellungsbetrieb nicht mehr geeignet. 2009 genehmigt der Gemeinderat die Generalsanierung, die zwischen 2010 und 2013 ausgeführt wird. Neben anlagentechnischen Maßnahmen werden Flächenbedarf und Raumqualität unter Berücksichtigung der historischen Raumstruktur und unter Maßgabe des Denkmalsschutzes optimiert.
Um den Sanierungsbedarf präzise formulieren zu können, ging der Instandsetzung eine genaue Untersuchung der Flächen- und Baukörper voraus. Neben einer bautechnischen Bestandsaufnahme, die akute Schäden und Sicherheitsrisiken zu Tage förderte, erfasste eine bauhistorische Analyse den Denkmalwert. Der Ursprungsbau war durch eine Festschrift aus dem Jahr 1907 gut dokumentiert. Zahlreiche Entwürfe, Pläne und Fotografien aus dem Nachlass von Hermann Billing gaben einen ausgezeichneten Eindruck vom Gestaltungswillen des Architekten. Auf dieser Basis konnte ein Nutzungskonzept erstellt werden, dass die Raumstruktur behutsam an die gegenwärtigen Bedürfnisse anpasste. Es war das Ziel, die historische Raumfolge von 1909 wieder herzustellen. Dabei wurden die Tageslichtdecken, die in den Ausstellungssälen des Obergeschosses durch Holzverschalungen verbaut worden waren, geöffnet. Durch das Entfernen neuzeitlich eingebauter Wände und Zwischendecken, konnte die Ausstellungsfläche im Erdgeschoss erweitert werden. Im östlichen Erdgeschossflügel wurde nach dem Vorbild von graphischem Kabinett und kunstwissenschaftlichem Institut aus dem Jahr 1913 Platz für die graphische Sammlung, inklusive Vorlegesaal und Depots geschaffen.
Des Weiteren wurden im Zuge der Sanierung Feuchtigkeitsschäden im Keller behoben, die Sandsteinfassade, die durch Schalenbildung und Steinzerfall in Mitleidenschaft gezogen war, restauriert, die abgängige Außentreppe des Löwen-Portals wiederhergestellt. Flucht- und Rettungswege waren im Obergeschoss nur unzureichend vorhanden, Brand- und Sicherheitsschutz ebenfalls ungenügend.
Der Energieverbrauch von Museen ist extrem hoch. Aus konservatorischen Gründen muss das Innenraumklima immer konstant sein. So müssen alle Nutzflächen ständig mechanisch belüftet, beheizt oder gekühlt und be- oder entfeuchtet werden. Ein hoher Energieverbrauch verursacht hohe Kosten. Wie es gelingt, die Betriebskosten deutlich zu senken und gleichzeitig architekturschonend die historische Raumstruktur eines denkmalgeschützten Gebäudes zu erhalten, zeigt das Beispiel der Mannheimer Kunsthalle. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat den innovativen Ansatz des Vorhabens gewürdigt und die Generalsanierung als Leuchtturmprojekt der Energieforschung mit 2,7 Mio. Euro gefördert.
Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) und das Institut für Gebäude und Solartechnik der Universität Braunschweig (IGS) haben im Vorfeld eine energetische Gebäude- und Anlagenanalyse durchgeführt und ein Energiekonzept erstellt. Die Herausforderung bestand darin, erstmals in allen Räumen Zu- und Abluftanlagen zu installieren. Trotz des erhöhten Technikbedarfs sollte das Gebäude geschont und der Charakter der historischen Architektur beibehalten werden. Aus Gründen des Denkmalschutzes war eine Dämmung der historischen Außenfassade nicht möglich. Man entschied, die Klimatisierung so weit wie möglich über die Gebäudehülle abzuwickeln. Das Verlegen der Dämmung in den Innenraum brachte eine Vielzahl höchst innovativer Maßnahmen mit sich.
Obwohl die klimatisierte Fläche nach der Generalsanierung etwa doppelt so groß ist, lässt sich davon ausgehen, dass die Betriebskosten annähernd konstant gehalten werden können. Im Vergleich zu 2009 lassen sich nach der Sanierung rund 10 % der Betriebskosten im Laufe eines Jahres einsparen. Das sind in Summe 21.867 € p.A. Im Bereich Energie (Fernwärme und Strom) kann durch die baulichen und anlagentechnischen Maßnahmen 25% Einsparung prognostiziert werden.
Als „Leuchtturmprojekt“ nimmt die Kunsthalle eine Vorreiterrolle ein. Aus diesem Grund wird nach Abschluss der Sanierung der Betrieb zwei Jahre lang von Wissenschaftlern messtechnisch begleitet. Die Erkenntnisse aus Mannheim sollen für zukünftige Sanierungsprojekte nutzbar gemacht werden.
Viele Jahre lang hatte die veraltete technische Gebäudeausrüstung Konsequenzen auf den Ausstellungsbetrieb. Wegen des ungünstigen Klimas, wurden konservatorisch vorgeschriebene Grenzwerte überschritten und konnten geltende Leibedingungen nicht eingehalten werden. Keine günstigen Voraussetzungen also, um die Sammlungsbestände angemessen zu präsentieren und das Programm durch hochkarätige Sonderausstellungen zu bereichern.
Heizung und Kühlung:
Die Beheizung und Kühlung der Räume, die bis zur Sanierung im Wesentlichen über die Luft erfolgte, wird künftig durch eine Flächentemperierung in Wänden, Fußböden und Deckensegeln abgewickelt. Hierzu hat man Mineralschaumplatten eingebaut, um die Gebäudehülle zu dämmen. Die Heizung wurde in die Dämmebene integriert. Das Gebäude wird über die Fernwärme des Mannheimer Energieversorgers (MVV Energie) versorgt. Eine sog. Absorptionswärmepumpe (ebenfalls mit Fernwärme und Solarenergie betrieben) sorgt für Kühlung.
Wärmeschutz, Verglasung:
Ein hohes Potential zur Energieeinsparung bietet das Dach des Jugendstilgebäudes, das komplett erneuert wurde. Abgesehen von der Dämmebene in der äußeren Dachhaut, wurden die historischen Oberlichtsäle rekonstruiert. Das ursprünglich 1-fach verglaste Dach sowie der Außenwandbereich oberhalb der Glasdecke wurden gegen eine Spiegelrasterverglasung ausgetauscht. Zum Erhalt der historischen Fenster wurde auf der Innenseite eine Wärmeschutzverglasung geplant und ein zweites Fenster aus thermisch getrennten Metallprofilen mit 2-fach Wärmeschutzverglasung eingebaut. Blend-, UV- und Einbruchschutz sind in den Glasaufbau der neuen Fensters integriert.
Lichtplanung
Problematisch war vor der Sanierung die Diskrepanz zwischen Tageslicht-Nutzung und konservatorischem Lichtschutz. Im Zuge der Maßnahmen wurde ein Konzept entwickelt, das eine moderne und energetisch sinnvolle Kopplung von Kunst- und Tageslicht vorsah. Der Einsatz einer LED-Innenbeleuchtung (in Kombination mit Tageslicht) reduziert den Strom- und Heizwärmebedarf.
(Quelle: Kunsthalle Mannheim, Andrea Schmidt)
Beurteilung der Jury:
Der historische Museumsbau wird mit hohem Engagement saniert und wieder in seinen ursprünglichen Zustand gebracht unter Berücksichtigung der aktuellen Anforderungen. Mannheim erhält damit zum einen ein bedeutendes Baudenkmal zurück. Zum anderen kann die Museumsarchitektur von Hermann Billing nach ihrer Sanierung zeigen, dass sie auch nach über hundert Jahren einen hervorragenden Rahmen für Kunstausstellungen bildet, Der Billing-Bau zeigt damit beispielshaft, dass hohe Architekturqualität zeitlos ist.