Stadt überwacht PFAS-Werte im Mannheimer Norden

Sachstand zu den PFAS-Untersuchungen im Mannheimer Norden

Einleitung – Sachstand Januar 2024
Im Jahr 2015 wurde bekannt, dass Ackerflächen im Mannheimer Norden mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), belastet sind. PFAS wurden und werden aufgrund ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften sowie ihrer thermischen Beständigkeit in einer Vielzahl von Verbraucherprodukten eingesetzt und sind inzwischen überall auf der Welt in Spuren in der Umwelt vorhanden.

In Mannheim gelangten die Schadstoffe wie in Mittelbaden wahrscheinlich mit Komposten zur Bodenverbesserung und Düngung auf die Felder. Die Klärung der Schadstoffsituation erfolgt abgestimmt mit den Landwirtschafts- und Landesumweltbehörden. Die Untere Bodenschutzbehörde der Stadt Mannheim steht in engem Kontakt mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg und dem Regierungspräsidium Karlsruhe und nimmt an den regelmäßigen Arbeitsgruppensitzungen zur PFAS-Schadstoffsituation teil.

Die Belastung erstreckt sich auf Flächen, auf die Kompost ausgebracht worden ist, der vermutlich mit Papierschlämmen vermischt war. Seit 2015 wurden kontinuierlich neue Belastungsflächen identifiziert. Die Untersuchungen zeigten eine wesentlich größere Flächenbelastung, als ursprünglich angenommen. Der frühere Verdacht, dass nur Flächen betroffen sind, die zwischen den Jahren 2006 bis 2008 mit entsprechendem Kompost behandelt wurden, hat sich nicht bestätigt. Daher wurden die Untersuchungen in den letzten Jahren ausgeweitet und alle Ackerflächen im Mannheimer Norden erkundet. Die flächenhafte technische Untersuchung wurde von einem in der Sache erfahrenen Ingenieurbüro im Auftrag der Unteren Bodenschutzbehörde durchgeführt und 2023 abgeschlossen. Somit liegen erstmalig Informationen zum vollständigen Schadensausmaß vor.

Nachstehend wird über die aktuellen Ergebnisse der Boden- und Grundwasseruntersuchungen sowie über die Ergebnisse des Vorerntemonitorings und der Lebensmittelüberwachung berichtet. Das vollständige Gutachten ist unter dem Reiter „weitere Informationen“ auf dieser Seite veröffentlicht.

Bodenuntersuchungen
Mit Abschluss der Bodenuntersuchungen in 8 Teiluntersuchungsgebieten im Jahr 2023 sind jetzt sämtliche ackerbaulich genutzten Flächen im Bereich Mannheim-Nord vollständig untersucht. Das gesamte Untersuchungsgebietes ist in dem veröffentlichten Gutachten abgebildet. Bisher wurde eine Fläche von insgesamt rd. 1.400 ha erkundet. Auf rd. 400 ha waren im Bodeneluat (Überführung von Bodenproben durch Schütteln mit Wasser in wässrige Phase) keine PFAS über der laboranalytischen Bestimmungsgrenze nachweisbar. Auf den restlichen rd. 1000 ha konnten PFAS im Bodeneluat nachgewiesen werden. Etwa 565 ha der untersuchten Ackerschläge wiesen Schadstoffwerte auf, die unter Zugrundelegung von bodenschutzrechtlichen Grenzwerten eine Schadstoffbelastung anzeigen (Prüfwerte und gesundheitliche Orientierungswerte). Damit ist ein Flächenanteil von etwa 41% des Untersuchungsgebietes mit PFAS belastet.

Landwirtschaftliche Beregnungsbrunnen
Im Untersuchungsgebiet befindet sich ein Netz aus ca. 60 Beregnungsbrunnen, das vom örtlichen Beregnungsverbund Sandhofen für die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen genutzt wird. Da sich diverse mobile Einzelsubstanzen der Stoffgruppe der PFAS aus den oberflächennahen Bodenschichten bereits ins Grundwasser verlagert haben, muss jährlich, jeweils vor der aufkommenden Beregnungssaison, eine Überprüfung der Nutzbarkeit der Brunnen durch Laboranalysen erfolgen. Die Auswahl der untersuchten Brunnen orientiert sich dabei bislang sowohl an der vorgesehenen Nutzung für die aufkommende Saison, als auch an Ergebnissen zurückliegender Untersuchungen. Das Untersuchungsprogramm wird zwischen der Unteren Bodenschutzbehörde, der Landwirtschaftsverwaltung des Rhein-Neckar-Kreises und dem Regierungspräsidiums Karlsruhe abgestimmt.

Für die Beregnungssaison 2023 wurden bis März 2023 im Auftrag der Stadt Mannheim insgesamt 45 Beregnungsbrunnen beprobt und die gewonnenen Grundwasserproben laboranalytisch untersucht. Von den untersuchten Brunnen gelten derzeit 16 Stück als belastet. Durch die Landwirtschaftsverwaltung wurden gemäß den vom Regierungspräsidium Karlsruhe erlassenen „Vorgaben für die Bewässerung in PFAS/PFC-verunreinigten Gebieten - aus wasser- und bodenschutzrechtlicher Sicht – sowie aus landwirtschaftlicher und lebensmittelrechtlicher Sicht“ entsprechende Nutzungsverbote bzw. Nutzungsbeschränkungen für die Bewässerungssaison 2023 ausgesprochen. Hierdurch wird eine geordnete Nutzung möglich und die Belastung von bisher nicht beeinflussten Grundwasseranteilen minimiert.

Nach Auswertung der Grundwasseruntersuchungen aus dem Zeitraum 2015-2023 ist zusammenfassend festzustellen:

•    Vorhandene Bodenbelastungen sind lokal bereits deutlich in den Grundwasserkörper übergangen,

•    aufgrund des erheblichen Nachbildungspotentials von PFAS durch den vorhandenen Pool von sogenannten Vorläuferverbindungen ist mit weiteren Konzentrationsanstiegen von PFAS im Grundwasserkörper zu rechnen,

•    bislang klar abgegrenzte Belastungsschwerpunkte im Grundwasser können zukünftig zusammenwachsen. Schwach belastete Bereiche, aus denen Grundwasser-Entnahmen bislang noch möglich waren, stehen dann lediglich noch in reduziertem Maße zur Verfügung bzw. gravierendere Nutzungsbeschränkungen sind möglich.

Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ist mit einem weiteren Ausfall von Bewässerungsbrunnen zu rechnen. Belastete Brunnen stehen dann nicht mehr oder nur eingeschränkt für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen zur Verfügung.

Nutzwasserbrunnen
Durch die Untere Bodenschutzbehörde wurden im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 13 Gartenbrunnen bzw. Nutzwasserbrunnen auf PFAS untersucht. Diese Brunnen befinden sich in Untersuchungsbereichen, die bislang nicht durch die jährlichen Beprobungen der Beregnungsbrunnen abgedeckt waren, insbesondere im Stadtteil Sandhofen. Die Schadstoffsituation in den Gartenbrunnen ist wesentlich günstiger, als bei der landwirtschaftlichen Beregnung. Mit einer Ausnahme konnten in keiner der analysierten Proben Überschreitungen von Geringfügigkeitsschwellen oder gesundheitlichen Orientierungswerten festgestellt werden. An dem einzelnen auffälligen Brunnen sind in Folge der Überprüfungen Wiederholungsuntersuchungen vorgesehen.

Eigenwasserversorgungen
Das Gesundheitsamt der Stadt Mannheim (FB 58) führt seit 2015 wiederkehrende Untersuchungen von Eigenwasserversorgern (EWV) in Mannheim Nord auf die Schadstoffgruppe PFAS im Grundwasser durch. Hierbei wurden insgesamt zwölf Entnahmestellen teilweise mehrfach beprobt. Bei sechs der untersuchten EWV konnten keine PFAS über der Bestimmungsgrenze analysiert werden. Bei den übrigen Proben sind nur geringfügig erhöhte Konzentrationen vorhanden. Lediglich  bei einer EWV ist die handlungsrelevante Grenze  in den letzten Jahren mehrmals überschritten worden. Bei einer weiteren EWV wurden Geringfügigkeitsschwellen für Einzelparameter überschritten. Die erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich einer Nutzungsbeschränkung wurden ergriffen.

Trinkwasserversorgung
Aufgrund der räumlichen Lage der Trinkwasserbrunnen der Mannheimer Wasserwerke ist eine Beeinflussung des Rohwassers durch PFAS aus den verunreinigten Flächen im Mannheimer Norden weiterhin ausgeschlossen. Das Wasserwerk Mannheim-Käfertal entnimmt sein Grundwasser oberhalb der PFAS-verunreinigten Flächen, das Wasserwerk Mannheim-Rheinau befindet sich im Süden der Stadt Mannheim und daher überhaupt nicht in der Nähe des belasteten Bereiches. Das Trinkwasser wird vom Wasserwerksbettreiber regelmäßig auf PFAS untersucht. Analysenergebnisse der MVV aus den Wasserwerken Käfertal und Rheinau vom 14.08.2023 liegen dem Gesundheitsamt vor. PFAS sind in Spuren nachweisbar, jedoch wurden nie Grenzwert-Überschreitungen festgestellt. In den amtlichen Proben des Gesundheitsamtes Mannheim im Wasserwerk Mannheim-Käfertal sowie Wasserwerk Mannheim-Rheinau vom 06.03.2023 waren PFAS nicht nachweisbar.

Vorerntemonitoring durch die Landwirtschaftsverwaltung
Das Vorerntemonitoring wird von der Landwirtschaftsverwaltung kontinuierlich fortgeführt. Die Untersuchungsergebnisse der Bodenuntersuchungen zu den untersuchten Ackerschlägen wurden jeweils nach Erkenntnisfortschritt ins Vorerntemonitoring aufgenommen. Die Landwirt*innen im betroffenen Gebiet wurden bei Hinweisen auf Bodenbelastungen durch Vertreter der Landwirtschaftsverwaltung schriftlich informiert. Zudem führt die Landwirtschaftsverwaltung unter Leitung des Regierungspräsidiums Karlsruhe eine jährliche Info-Veranstaltung für Landwirt*innen zu aktuellen PFAS-Themen und neuen Entwicklungen durch.
Eine Bewirtschaftung aller untersuchten Flächen ist trotz Belastung weiterhin möglich, allerdings mit erheblichen Einschränkungen. Allerdings können nicht mehr alle Kulturen auf belasteten Flächen angebaut werden. Möglichkeiten einer nachhaltigen Bewirtschaftung und Anbauplanung, wobei zudem der Verbraucherschutz gewährleistet ist, können die Betriebe weiterhin im Rahmen eines spezifischen Bewirtschaftungs- und Minimierungskonzeptes (BeMiKo) zusammen mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe erarbeiten. Das BeMiKo wird begleitet von einer systematischen Untersuchung von erntereifen Produkten. So wurden beispielsweise im Jahr 2023 (bis Stichtag Ende Juli) durch das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) 49 erntereife Produkte untersucht. Bei nur einer Probe (Winterweizen) war der sogenannte Beurteilungswert überschritten. Die erntereifen Produkte dieser Fläche konnten deshalb nicht als Lebensmittel vermarktet werden. Der geringe Anteil an auffälligen Proben zeigt, dass aufgrund des stetigen Erkenntnisfortschrittes hinsichtlich des PFAS-Anreicherungsvermögens von Nutzpflanzen sowie den daraus abgeleiteten Anbauempfehlungen eine verbrauchersichere Lebensmittelproduktion im Mannheimer Norden weiterhin möglich ist.

Lebensmittelüberwachung
Durch die Lebensmittelüberwachung des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung der Stadt Mannheim (FB 31) werden weiterhin Lebensmittelproben tierischer und pflanzlicher Herkunft für Analysen genommen. Die amtlichen Untersuchungen erfolgen durch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg. Bis zum Stichtag im August wurden im Jahr 2023 11 pflanzliche Proben sowie 2 Proben tierischer Herkunft untersucht. Auffälligkeiten wurden lediglich bei einer Honigprobe festgestellt. Der Honig konnte in der Folge nicht vermarktet werden. Seit Bekanntwerden der Problematik werden die Imker*innen dahingehend beraten, ihre Völker so aufzustellen, dass sich innerhalb des Flugradius der Bienen keine verunreinigten Flächen befinden. Bei Bienenvölkern, bei denen das nicht möglich ist, wird der jeweilige Honig auf PFAS untersucht, bevor dieser vermarktet wird.

Untersuchungen auf dem Gelände der US-Kaserne Coleman Barracks
Das an die Ackerflächen im Mannheimer Norden angrenzende US-Kasernengelände der Coleman Kaserne wurde von den US-Amerikanern in Abstimmung mit der Unteren Wasser- und Bodenschutzbehörde umfassend umwelttechnisch untersucht, um mögliche PFAS-Beeinflussungen des Umfeldes, etwa durch abströmendes Grundwasser oder durch Verwehungen von Löschschäumen (aus früheren Einätzen), beurteilen zu können. Die Untersuchungen zeigten, dass auf dem Kasernengelände eigenständige PFAS-Schäden im Untergrund vorhanden sind, die aber einen anderen chemischen Fingerabdruck aufweisen, als auf den landwirtschaftlichen Flächen.  Die Schadstoffbereiche innerhalb der Kaserne sind eindeutig auf andere Eintragsursachen zurückführen (Feuerwehreinsätze bzw. –übungen). Eine nachteilige Beeinflussung des Umfeldes konnte bislang nicht festgestellt werden. Durch die US-Armee werden weitere gutachterliche Untersuchungen durchgeführt, um zu einer abschließenden Gefährdungsbeurteilung zu gelangen. Beispielsweise wurde bereits die Errichtung weiterer Grundwassermessstellen auf dem Kasernengelände veranlasst.

Ausblick
Nach Abschluss der flächenhaften Bodenuntersuchungen des gesamten Verdachtsbereiches im Mannheimer Norden im Jahr 2023 und den ergänzend durchgeführten Grundwasseruntersuchungen liegen erstmalig Erkenntnisse zur räumlichen Verteilung sowie zum Umfang der Boden- und Grundwasserbelastungen im Zusammenhang mit Kompostaufbringungen vor. Die Ergebnisse sämtlicher Untersuchungen wurden durch das beauftragte Ingenieurbüro, Arcadis Germany GmbH, ganzheitlich betrachtet und in einem Bericht zusammengeführt. Dieser kann auf der Internetseite der Stadt Mannheim heruntergeladen werden. Geschwärzt sind lediglich personenbezogene Daten, keine Umweltinformationen.

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse und die Ergebnisse der parallel laufenden Ermittlungen zur Verursachung des Schadens bilden die Grundlage, um für ausgewählte Flächen Detailuntersuchungen anzuordnen (insbesondere zur kleinräumigen Verteilung sowie des Freisetzungspotentials von PFAS). Die hieraus gewonnenen Ergebnisse können einen wichtigen Beitrag leisten, um von kleinräumigen Betrachtungen einzelner Ackerschläge hinsichtlich des Gefährdungspotentials und der Schadstoffmobilität auf den Gesamtfall bzw. das großräumige Untersuchungsgebiet zu schließen und perspektivisch Sanierungs- oder Sicherungsszenarien zu planen.

Neben dem Eintrag auf landwirtschaftlichen Flächen gelangten PFAS früher auch über Feuerwehreinsätze und -übungen mit Löschschaum sowie bei diversen industriellen Verwendungen in den Untergrund. Diese Schäden haben allerdings einen anderen chemischen Fingerabdruck als die Einträge in der Landwirtschaft. Die Untere Bodenschutz- und Wasserbehörde erhebt und prüft sukzessive derartige kleinräumige Verdachtsflächen und führt zudem gebietsbezogene Grundwasser-Untersuchungskampagnen durch.
Im Jahr 2024 wird der Fokus allerdings auf der verwaltungsmäßigen Ermittlung des Schadensverursachers gerichtet sein. Es wird vorbeugend eine Machbarkeitsstudie beauftragt, um Möglichkeiten zur Verbesserung und Optimierung der Wasserentnahmen durch die Landwirte zu betrachten und eine Verschleppung von Schadstoffen durch Wasserentnahmen nachhaltig zu minimieren.