Carl Benz – unbeirrbarer Visionär und genialer Erfinder
1886 ist die Geburtsstunde des Autos in Mannheim
Das Rad hat er nicht erfunden. Und das Laufrad, das hatte Freiherr von Drais bereits siebzig Jahre zuvor in Mannheim in Bewegung gesetzt. Nein, Carl Benz, einer der größten Erfinder und Techniker aller Zeiten, verfolgte ein weitergehendes Ziel: den pferdelosen Wagen, den „Selbstfahrer“ für die Straße – das Automobil. Seine Vision brachte er mit vielen einzelnen genialen Erfindungen auf den Weg: dem Zweitakt-Motor, dem leichten Viertakter, der Achsschenkellenkung, Differential, Vergaser, Wasserkühler, der Gangschaltung.
Unterstützung fand der versierte und weitblickende Techniker bei seiner nicht minder tüchtigen und in manchem sogar tatkräftigeren Ehefrau Berta. Es gab Erfolge und Rückschläge, Geldnöte, Zerwürfnisse mit Partnern. Am 29. Januar 1886 erhielt Carl Benz vom Kaiserlichen Patentamt unter der Nummer 37435 das Patent auf den ersten fahrtüchtigen Motorwagen – das war die Geburtsstunde des Autos.
Die Materie, besser gesagt die bewegte Materie lag dem 1844 geborenen Carl Benz im Blut – Vater Georg war Lokomotivführer. Enormen Antrieb gab ihm das Maschinenbau-Studium am Polytechnikum in Karlsruhe von 1860 bis 1864. Er experimentiert an einer Alternative zur Dampfmaschine.
Kurze Zeit arbeitet er nach dem Studium in Karlsruhe im Lokomotivenbau, kommt dann 1866 nach Mannheim. Fünf Jahre später gründet er in T 6, 11 „Carl Benz und August Ritter, mechanische Werkstätten.“ Die Partnerschaft mit Ritter hält nicht lange, seine Braut und spätere Ehefrau Berta springt mit ihrer Mitgift ein. Benz hält die Werkstatt über Wasser. Parallel tüftelt er an einem Zweitaktmotor, auf den Viertakter hatte Otto seit 1876 bereits das Patent. Doch der Motor will und will nicht laufen. Bis zur Silvesternacht 1879. Die Maschine, die ein PS bei 200/300 Umdrehungen in der Minute leistet, springt an. „Endlich war die Stunde gekommen, die ich jahrelang erhofft hatte“, zitiert Winfried Seidel, Inhaber des privaten Museums „Dr. Carl Benz“ in Ladenburg den berühmten Konstrukteur: „Was ich in schlaflosen Nächten erdacht und ersonnen hatte, was am Reißbrett konstruiert und berechnet worden war, sollte in die Tat umgesetzt werden.“
Erstes Automobil von Carl Benz
Benz beginnt mit dem Bau des Motorwagens. Dazu Winfried Seidel: „Im Gegensatz zu Daimler und Maybach, die ihre Motoren vielseitig einsetzten, wollte Carl Benz vor allem die Einheit Kraftwagen bauen.“ Er entwickelt einen leichten Viertakter, der Otto-Motor war inzwischen patentfrei. Im Frühjahr 1885 stand der dreirädrige Motorwagen dann fertig auf dem kleinen Fabrikhof. Benz wagt in Mannheims Straßen erste spektakuläre Ausfahrten: „Die Menschen sammeln sich an, lächeln und lachen. Das Staunen und Bewundern schlägt um in Mitleid, Spott und Hohn. Wie kann man sich in einen unzuverlässigen, armseligen, lautlärmenden Maschinenkasten setzen, wo es doch genug Pferde gibt auf der Welt“, heißt es in seinen Erinnerungen. Es sollen sogar Stimmen laut geworden sein, die forderten: „Wirf den Stinkkasten in den Neckar.“ Benz grübelt und tüftelt weiter, bis der Motorwagen 1886 reif ist fürs Patent. Im gleichen Jahr zieht das Unternehmen um in die Waldhofstraße.
Wenig Unterstützung erfährt Benz von Geldgebern und Partnern. Die Hausbank verlangt 1882 die Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft. Als der Aufsichtsrat seine kostspielige Erfindung nicht mehr finanzieren will, verlässt er das Unternehmen und gründet 1883 die „Benz & Co. Rheinische Gasmotorenfabrik Mannheim“ – sieben Jahre später ist das Unternehmen die größte Automobilfabrik der Welt.
Doch zuvor musste Carl Benz für seinen Selbstfahrer, der ja kein Selbstzweck sein sollte, kräftig die Werbetrommel rühren. Er ging auf Demo-Tour, verblüffte Passanten in Münchens Innenstadt mit dem ratternden Vehikel, war auf der Weltausstellung in Paris präsent.
Die Initialzündung zum wirtschaftlichen Triumph allerdings soll Berta Benz bewirkt haben – mit einer beispiellosen „PR-Aktion“. Mit den beiden Söhnen Eugen und Richard begibt sich die beherzte Frau 1888 auf Überlandfahrt – ohne Wissen ihres Mannes. 106 Kilometer rumpelt und holpert die Auto-Pionierin auf staubigen Feldwegen, von Mannheim nach Pforzheim. Zwischendurch „tankt“ Berta in einer Apotheke Legroin (Benzin), mit ihrer Haarnadel säuberte sie immer wieder die verstopfte Benzinleitung. „Sie musste sich an Flussläufen und Bahnlinien orientieren, Straßenschilder gab es ja noch nicht“, beleuchtet Winfried Seidel die unglaubliche Leistung der ersten „Fernfahrerin“.
Patent Motor Wagen Benz "Victoria"
Benz denkt das dreirädrige Gefährt weiter, entwickelt die motorisierte Kutsche „Viktoria“. Der Motorwagen auf nun vier Rädern brauchte vor allem eines, eine stabile Kurvenlage. Benz kam erneut auf eine geniale Lösung: die Achsschenkellenkung. Die Räder konnten nun problemlos einzeln gesteuert werden. „Viktoria“ wird immer zuverlässiger, erreicht bald eine Geschwindigkeit von bis zu 40 Kilometern in der Stunde. Das Nachfolgemodell „Velo“ ist – was die Verkaufszahlen betrifft – ein Renner: 1200 Fahrzeuge werden produziert. 1909 spezialisiert Carl Benz sich endgültig auf den Fahrzeugbau, gründet in Ladenburg die Firma „Carl Benz Söhne“. Seinen Ruhm konnte er im Alter genießen. Liebevoll nennen seine Mitbürger ihn „Papa Benz“. Viele Ehrungen werden ihm zuteil, etwa der Ehrendoktor der Technischen Hochschule Karlsruhe, bevor er 1929 im Alter von 84 stirbt.