Glaubens-Extreme

In fast allen großen Religionskulturen der Welt sind erhebliche Einschränkungen der Rechte der Frauen* zementiert: über Kleidungsvorschriften, Verbote - bspw. einer soliden Bildung oder beruflicher Karriere zugunsten der Familie – bis hin zu Sanktionen und Strafen für ungehorsames Verhalten. Trotzdem sind Frauen* - laut Statistiken – nicht nur religiöser als Männer*; sie fühlen sich auch zunehmend zum religiösen Extremismus hingezogen.
Religiöse Sekten und Gruppierungen haben ebenso oft extrem frauenfeindliche Ansichten. Die Gurus oder „Meister“ fordern Frauen* nicht selten zur Prostitution, Orgien, Sadomasochismus, Inzest oder in extremsten Fällen zur Selbstaufopferung auf. Dennoch bestehen die sklavenartigen Gefolgschaften zum großen Teil aus Frauen*, die nach und nach in ein psychosoziales Abhängigkeitsverhältnis geraten.
Was bewegt Frauen* dazu, sich solchen extremen Gruppierungen und Glaubensansätzen anzuschließen? Sind wir in Deutschland frei von diesen extremen Glaubensrichtungen? Wenn Glaube Halt gibt, welche Halt finden hier die Frauen*? Sind Männer* im gleichen Maße anfällig?

Moderatorinnen:
Dipl. Hdl. Elsbeth Ruiner, Oberstudienrektorin a.D.
Dr. Susanne Wichert, In den Reiss-Engelhorn-Museen: Direktorin der Stiftungsmuseen und Geschäftsführerin der rem|gGmbH

Gastredner*innen:
Sabine Stoll, Mannheimer Institut für Integration und interreligiöse Arbeit e.V., Studium der evangelischen Theologie, Gast mit biografischer Expertise: Anfang 20 zum Islam konvertiert
Gabi Blank, bis 2015 Dekanatsratsvorsitzende der katholischen Kirchen Mannheims, ehrenamtlich seit Jahrzehnten in der katholischen Kirche engagiert.
Dr. Joachim Vette, Pfarrer, Theologe und Kirchenmusiker. Studium der Philosophie, Theologie und Musik in Canada, Israel und Deutschland, Experte für die Rolle der Frauen in der Kirche, in Sekten etc.
Petra Heilig, Studium der Theologie (röm.-kath.) und der Pädagogik (mit Schwerpunkt Erwachsenbildung) in Tübingen, seit 2016 Leiterin des ökumenischen Bildungszentrums Sanctclara.
Stefanie Boßmeyer, Studiendirektorin, katholische Religionslehrerin in der Justus-von-Liebig-Schule, lange Jahre im Vorstand des Religionslehrerverbandes.
Franziska Panizzi, Gast mit biografischer Expertise: hat sich in einen römisch-katholischen Priester verliebt und heiratete ihn 1992. Daraufhin wurde er entlassen und beide haben sich, laut römisch-katholischem Kirchenrecht, selbst exkommuniziert.                                                                                                                                                               Svenja Schöttle, Landespredigerin in Ausbildung, Freireligiösen Gemeinde Mannheim.
Prof. Dr. Heidrun Kämper, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Lexik, Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, ist nach der Heirat zum Judentum übergetreten.

Statements der Gastredner*innen

Stefanie Boßmeyer

"Ich bin als Abbild des Göttlichen geschaffen. Ich stehe als Christin in der nachfolge von Maria aus Magdala, der ersten Apostelin (Verkünderin des Glaubens). Ich erlebe meinen Glauben in der Gemeinschaft. Ich bin ein freier, geliebter Mensch."
Stehe ich mit dieser Einstellung am Rand oder in der Mitte unserer Gesellschaft? Zähle ich mit dieser Überzeugung als Glaubens-Extreme oder Glaubens-"Normale"?

Sabine Stoll

"Der Islam ist nicht frauenverachtend, -unterdrückend oder -benachteiligend. Im Qur'an steht nichts  dementsprechendes  - im Gegenteil. Die Rolle und Schätzung der Frau hat mit der Verkündigung des Islam, den qur'anischen Offenbarungen, und durch die Aussagen des Propheten eine enorme Aufwertung und eine den Männern ebenbürtige Wertschätzung erfahren. Leider ist festzustellen, dass diese "Errungenschaften" schnell wieder eine Einschränkung erfuhren, - dies durch politische Systeme mit bestimmter angestrebter Gesellschaftsformung, männliches Dominanzstreben und nicht zuletzt durch insbesondere heute  offensichtliche Bildungsresistenz.
Es gilt, die ursprünglich befreiende Vision von einer gleichberechtigten, ausbalancierten Gesellschaft freizulegen, frauenfeindliche Tendenzen zu entlarven und in breite Bildung zu investieren."

Dr. Joachim Vette

„Schon in der Bindung an etwas höheres kann jeder religiöse Glaube extrem wirken. Wo die Grenzen zwischen Glaubenspraxis und Glaubens-Extrem liegen, ist vielleicht komplexer als es zunächst scheint.“

Franziska Panizzi

"Dass ich einen römisch-katholischen Priester geheiratet habe, war und ist das größte Glück in meinem Leben"
 
oder: "Der verpflichtende Zölibat bringt viel Unglück"?

 

Inhalte der Diskussion:

 -Alle drei großen Religionen haben eine bestimmte Rolle für die Frauen vorgesehen.
- Es gibt das wunderbare Phänomen, dass eine Vielfalt von Texteninterpretationen und Textenübersetzungen gibt.
- Wir müssen zusehen, dass Religion ein kulturelles Ergebnis ist und demzufolge änderbar.
- Was passiert, wenn wir alle Bücher der Religionen bei Seite legen und horchen, was es in uns gibt. Dies ist doch eine viel interessantere Frage.
- In keinen Büchern der großen Religionen sind die Frauen und Männer gleichgestellt.
- Im Islam sagt man zum Beispiel, dass wenn eine Frau Zuhause ist, sie sich trotzdem weiterbilden lassen muss. Im Islam hat die Bildung ein wichtige Rolle.
  Buch: Marie.2.0
- ich bin katholisch getauft worden, deshalb kann ich es nicht ändern.
- Ich habe als Katholikin sehr viele Ämter inne gehabt. Ich wurde nie unterdrückt. Ich kann diesen Jammer von Katholiken nicht mehr hören.
- Ich bin dafür, dass diese Frauen eingeweiht werden und das wird kommen.
- Ich muss mich immer fragen, was ärgert mich an der Kirche?
- Ich habe erlebt, dass wenn jemand sein Kind aus dem Religionsunterricht rausgenommen hat, gab es ein großes Problem.
- Religion muss private Sache sein. Meine Enkeltochter lebt in Bayern frei und muss vieles mitmachen.
- Eine wichtige Art des Glaubens ist die Mystik. In allen drei großen Religionen wurden die Mystiker*innen verfolgt.
- Mir fällt auf, dass insgesamt wenig Transparenz zugelassen wird.
- Ich wünsche mir persönlich, dass die Ausbildung der Imamen in Deutschland stattfinden soll und dass sie in Deutschland aufgewachsen sind. Aber auch in den Moscheen     müssen andere Bildungsprozesse durchgeführt werden.
- Ist es noch zeitgemäß, dass Frauen und Männern separat beten müssen? Ist das gleichberechtigt?
 - Natürlich gibt es Unterdrückungen der Frauen in allen Religionen, aber das hat nichts mit der Religion zu tun, sondern mit uns Männern.
- Man kann die Taufe als ein Zwang sehen, was man einem Kind antut. Man kann die Taufe aber auch als eine Lebensphase sehen. Die Kinder können sich später anders entscheiden.
- Der Islam steht und fällt nicht mit dem Kopftuch der Frauen.
- Oft werde ich in der Kirche gefragt, wie ich eine Feministin sein kann. In meiner Studienzeit wurde ich oft gefragt, wie ich ein Feministin sein kann.

Forderungen:

1) Frauen aller Religionen einigt Euch. Eine Demonstration für alle Frauen aus aller Religionen in Mannheim organisieren.
2) Eine Art Telefonseelsorge für religiöse Fragen.
3) Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche ethischer Werte
4) Staatliche Überwachung
5) Einführung eines allgemeinen Ethikunterrichts in dem mind. alle Weltreligionen behandelt werden.
6) Alle Unterschiede zwischen den Religionen und Unterdrückung innerhalb einzelner Religionsgemeinschaften werden unwirksam, wenn wir uns auf einen Wertekatalog (Menschenrechte) einigen und die 10 Gebote anerkennen!